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Geschichte

Langnau

Erstmals erwähnt wurde das Dorf Langnau, oder wie es damals genannt wurde Langunouva, um das Jahr 900, in einer Zinsrolle des Fraumünsters Zürich. Allerdings war es damals noch kein Dorf, sondern mindestens zwei Höfe freier Bauern. Schon vor 1036 gelangte durch Schenkung der Grafen zu Lenzburg das Chorherrenstift Beromünster zu Besitzungen und bestimmendem Einfluss nicht nur in Langnau, sondern auch in Mehlsecken und Richenthal. Ab 1478 gelangten die drei Orte endgültig in den Herrschaftsbereich Luzerns. Die Einheit hielt bis 1846, als sich Richenthal abspaltete.

Die hohen Ausgaben für das Armenwesen waren für Richenthal ein zentraler Trennungsgrund, welcher auch weiter eine starke Belastung für den Gemeindehaushalt bildeten. 1941 wies Langnau mit 4,3 Einheiten die höchste Steuerbelastung im ganzen Kanton Luzern auf. Ab 1945 brachte der Finanzausgleich Entlastung und förderte den Ausbau einer zeitgemässen Infrastruktur.

1969 – 1977 wurde eine erfolgreiche Gesamtmelioration des Waldes und des Landes durchgeführt und damit die Grundlage für eine starke Landwirtschaft geschaffen.

1963 kaufte das EMD (Militärdepartement) den Schiessplatz Weier-Wannen. Zahlreiche Armeeangehörige haben seither in militärischen Schiessübungen damit Bekanntschaft gemacht. Durch die Verkleinerung der Armee sind die Einsätze seltener geworden.

Langnau gehörte ursprünglich zur Kirche Richenthal. Nach der Gründung der Johanniterkomturei Reiden wurden Mehlsecken und der untere Teil des Dorfes Langnau nach Reiden zugeteilt. In den folgenden Jahrhunderten blieb Langnau das Dorf mit den zwei Pfarreien. Das hatte beispielsweise zur Folge, dass an den Patroziniumsfesten zu Ehren der heiligen Cäcilia und des heiligen Antonius im Langnauer Oberdorf Feiertag, im Unterdorf aber gewöhnlicher Alltag herrschte. 1948 erst entstand das gemeinsame Pfarrrektorat Langnau mit eigenem Pfarrer und schliesslich auf den 1. Januar 1973 – verbunden mit der Einweihung der neuen Marienkirche – die Kirchgemeinde Langnau mit Eingliederung Mehlseckens.

Mehlsecken machte schon im Spätmittelalter durch das so genannte Siechenhaus von sich reden. Hier wurden Leute mit ansteckenden Krankheiten, insbesondere Aussatz, untergebracht. Daraus wurde nach 1603 ein Armenhaus, welches die umliegenden Gemeinden bis ins 19. Jahrhundert miteinander führten. Streitigkeiten über die Nutzungsberechtigungen führten zum Ausstieg Reidens, welches dann 1826 im Reidermoos eine eigene Armenanstalt mit Webkeller einrichtete.

1688 gründete die Herrschaft Luzern in Mehlsecken eine Zollstätte, wahrscheinlich um eine Umgehung jener von Reiden zu verhindern. Ihre Einnahmen blieben jedoch gering. 1848 wurden die kantonalen Zollstellen endlich aufgehoben. Das Mehlsecker Zollhaus diente aber weiterhin als Wohnhaus bis in die 1970er Jahre. Dann wurde es abgerissen.

Mehlsecken blieb im 19. Jahrhundert geschickt zwischen der Zugehörigkeit zu Langnau und Reiden. Es gehörte ab 1814 einerseits zum Gerichtskreis Langnau, pflegte aber mit Reiden Zusammenarbeit in wichtigen Bereichen wie Schule, Feuerwehr, Hebammendienste usw. Es behielt seine Sonderstellung bis zur Vereinigung mit der politischen Gemeinde Langnau 1854.

Reiden

Auf der Stumpenhöhe machte man Funde einfachster Steinwerkzeuge aus der Altsteinzeit. Sie stammen von nomadisierenden Jägern, welche auf dieser strategischen Anhöhe vor 14’000 Jahren Rentiere, Wildpferde und sogar Mammuts jagten. Münzfunde aus dem Gebiet Höchfluh belegen, dass zur Römerzeit Menschen in unserer Gegend sesshaft waren. Im Klein-Sertel sind noch die Konturen eines Erdwerks zu erkennen. Es dürfte sich um eine Holz-Erdburganlage aus der Zeit vor der Jahrtausendwende handeln.

Mit Walter von Reiden, einem lokalen Adeligen, wird der Ort Reiden 1168 erstmals erwähnt. Er unterstand damals den Grafen von Lenzburg und fiel nach deren Aussterben 1273 an Habsburg. Jetzt erlangte er –wohl dank seiner Lage am Gotthardweg – erste Bedeutung. Reiden muss schon früh den Charakter eines Dorfes mit Gasthäusern und Markt besessen haben. Noch im letzten Jahrhundert fanden jährlich vier Waren- und Viehmärkte statt. Diese Markttradition ist in jüngerer Zeit wieder aufgenommen worden.

Durch den Verkauf der Grafschaft Willisau 1407 gelangte Reiden zu Luzern und entwickelte sich für die neuen Herren zu einer ergiebigen, ja zur besten Zollstätte des Kantons. Das Zollgebäude befand sich im ehemaligen Wirtschaftsgebäude «zum Löwen» im Unterdorf. Weil es allmählich zu klein wurde, kaufte der Staat das grosse Gebäude an der Sonnenkreuzung und führte darin das Zollgeschäft bis 1848 weiter. Das den älteren Reidern wohlbekannte Zollhaus musste 1980 dem Neubau der Kantonalbankfiliale Platz machen.

1650 wurde die Mühle im Unterwasser erbaut. Sie dürfte nach der Kommende das zweitälteste bestehende Haus im Dorf sein. Sie galt lange Zeit als die grösste Getreidemühle in der ganzen Region. 1867 kam sie in Besitz der Familie Lang und bildete den Grundstein für das spätere Industrieunternehmen.

Noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts lebte man weitgehend aus der Landwirtschaft. Etwas Heimarbeit für die Weber, eine Walke (Gewebeveredelung), eine Öle (Zerkleinern von Ölfrüchten) und die Rotfarb (Färberei) boten zusätzliche Verdienstmöglichkeiten. Der Bau der Centralbahn (Eröffnung 1856) bildete den Übergang zur Neuzeit. 1867 wurde der erste eigentliche Industriebetrieb gegründet, eine Baumwollspinnerei, die zirka 60 Personen beschäftigte. Damit war das Startzeichen hin zur Entwicklung zum Gewerbe- und Industriedorf gegeben. Verschiedene Reider Firmen schufen sich dabei regional bis international einen Namen: Lang Garn, Möbelfabrik Meyer, Maschinenfabrik Aecherli, Maschinenfabrik Reiden MFR.

Obwohl die älteste Schule ins 17. Jahrhundert zurückreicht, kam es erst 1803 auf Druck der helvetischen Regierung zum Bau des ersten Schulhauses, später bekannt als Fiechter-Haus. Darin wurde 1897 der spätere Kardinal und Ehrenbürger Dr. Benno Walter Gut geboren. Er trat in den Orden der Benediktiner ein, wurde 1947 deren Abt in Einsiedeln, 12 Jahre später Abtprimas und 1967 zum Bischof und Kardinal ernannt. Er starb 1970 in Rom. Zu seinen Ehren steht das Denkmal mit den drei Stelen am Geburtsort. Sie versinnbildlichen den Abtprimas, den Kardinal und den Ehrenbürger.

Eng mit der Geschichte Reidens verknüpft ist die Episode mit dem Riesen von Reiden. 1577 fand man am oberen Rande des Kommendehügels, der damals noch von einem Graben umgeben war, rätselhafte Riesenknochen. Stadtarzt und Professor Felix Blatter aus Basel, ein Freund des Chronisten Cysat, hielt sie für die Überreste eines Riesen und errechnete seine Grösse auf 5,60 Meter. Die Gebeine wurden nach Luzern verbracht und im Rathaus aufbewahrt. Aussen brachte man eine treffende Inschrift an, die so begann:
«In der Statt Lucern Land da unden / Bey dem Dorf Reyden / hat man funden / Schroecklich grosse Menschen Gebein / Under einer Eych auff dem Rein ...»
Zwei Jahrhunderte lang waren die Reider stolz darauf, innerhalb ihrer Gemarkungen ein Riesengeschlecht zu wissen, bis es sich dann herausstellte, dass die Knochen von einem Mammut stammten. Sie befinden sich zurzeit im Naturmuseum Luzern. Der Riese selber ist in einem Giebelbild auf der Luzerner Kapellbrücke verewigt.

Richenthal

Richenthal wurde 1036 erstmals erwähnt. Graf Ulrich von Lenzburg zählte in einer Urkunde Güter von Richenthal auf, welche er dem Chorherrenstift Beromünster schenkte. Dazu zählte eine Kirche unter dem Patronat der heiligen Cäcilia. 1640, nach einer schlimmen Viehseuche, kam als zweiter Kirchenpatron der heilige Antonius (Säutoni) hinzu. Das Gemeindewappen enthält neben zwei Sicheln, welche auf Getreidebau hinweisen, eine blaue Kugel analog dem Emblem der Lenzburger Grafen.

Zusammen mit Langnau und Mehlsecken gehörte Richenthal grundherrschaftlich bis 1478 dem Stift Beromünster. Einzelne Höfe waren dem Kloster St. Urban abgabepflichtig, andere dem Kloster Ebersecken. Dann ging die Herrschaft an Luzern über.

Wie die Kirchgenossen von Reiden mit den Johannitern, so hatten die Pfarreiangehörigen von Richenthal mit den Münsterer Chorherren manchen Kampf um die Beteiligung an den Unterhalts- und Baukosten der Kirche auszufechten. Der Unterhalt des Chors war Sache des Stifts, bis es sich 1936 endgültig von dieser Pflicht löste. Die heutige Kirche wurde 1803 – 1807 unter Baumeister Niklaus Purtschert erbaut. Die Steine dazu führte man aus dem Steinbruch Lupfen herbei.

Bis 1846 bildeten Richenthal und Langnau eine politische Einheit. Dann erfolgte die Trennung. Die Richenthaler Berghöfe spielten dabei eine wichtige Rolle, indem sie sich weigerten, die grossen Kosten im Armenwesen weiterhin mitzufinanzieren, da sie sich als Nicht-Verursacher fühlten.

Schon sehr früh wurde in Richenthal die Schule eingeführt. Die erste Erwähnung datiert von 1624. Der Unterricht muss aber in Behelfsunterkünften stattgefunden haben, denn das erste Schulhaus wurde erst 1811 errichtet. Das heutige stattliche Schulhaus trägt das Baujahr 1927. Um 1980 kam ein Ergänzungsbau mit Kindergarten, Singsaal und Turnhalle hinzu und befriedigte die schulischen Raumbedürfnisse.

Beeindruckend stellt sich das Parkhotel Kurhaus dar. Es geht auf eine Gründung des Richenthaler Naturheilarztes Vinzenz Blum ins Jahr 1902 zurück. Dieser hatte zuvor in Bad Wörishofen Sebastian Kneipps Naturheilverfahren kennen gelernt (Kaltwasserkuren, Wassertreten und Wechselbäder zur Abhärtung) und gründete in Richenthal eine Heilanstalt. In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Kurbetrieb einen nie erwarteten Aufschwung. Um mittellosen Kranken einen Kuraufenthalt zu ermöglichen, wurde der Vinzentiusverein gegründet.